Kleine Typenkunde — Commodore A (1967 - 1972)
Verfasst: Mi 2. Sep 2009, 01:16
Commodore A (1967 - 1972) — Oder: „Wir wollen auf der linken Spur fahren!“
Mit einem Olympia für Otto Normalverbraucher und einem Kapitän für seinen wohlhabenderen Schwager war es nicht mehr getan...
Der wachsende und sich ausbreitende Wohlstand hatte im Laufe der 1950er Jahre nicht nur den Wunsch nach, sondern auch die Käuferschaft für Autos hervorgebracht, die sich in ihrer jeweiligen Klasse vom Auto des „Herrn Jedermann“ unterschieden. Zur Mitte der 1960er Jahre hin strebte diese Entwicklung einem Höhepunkt zu. ¹ Diversifikation – Modellvielfalt – war das Schlagwort.
Anschaulichstes Beispiel ist die 1964 eingeführte KAD-Reihe, bei der Opel das bisherige Spitzenmodell Kapitän nun als Einsteiger-, den wiederbelebten Admiral als Aufsteiger- und den neuen Diplomat als Spitzenmodell in der Oberklasse eingestufte. Für die Opel-Kunden, denen die ab Werk angebotene Diplomat Limousine, mit dem 190 PS starken 4,6-Liter-V8-Motor 283V (von Chevrolet) durchaus standesgemäß motorisiert, noch nicht stark und exklusiv genug war, schneiderte Karmann in Osnabrück ab Februar 1965 das ungeheuer eindrucksvolle Diplomat V8 Coupe, dem exklusiv der 5,4-Liter-V8-Motor 327V mit 230 PS vorbehalten war. So eindrucksvoll wie das Coupe selbst war auch der Preis: Er betrug zunächst 25.500 und ab dem 18. April 1966 26.000 DM. Extras gingen extra. So war z.B. für Lederpolsterung ein Aufpreis von 1.500 DM fällig.
Während also Abmessungen, Leistungsvermögen und anderes mehr bei Opels „Flaggschiffen“ amerikanische Dimensionen erreichten, ging es beim Mittelklassemodell Rekord verhaltener zu. Um die Lücke zwischen ihm und der KAD-Reihe nicht allzu weit klaffen zu lassen, erhielt der Rekord A als Version L-6 zeitgleich einen 2,6-Liter-OHV-Reihensechszylinder (2605 cm³), der noch auf der Vorkriegskonstruktion des Kapitäns von 1938 basierte. Diesen 100 PS starken Motor gab es dann auch 1965 - 1966 für den Rekord B, dessen hauptsächliche Bestimmung bekanntlich die Einführung der neuen Generation der CIH-Motoren war.
In konsequenter Fortschreibung kam der neue Rekord C als Rekord 2200 ebenfalls zu sechs Zylindern. Ab Dezember 1966 stand er bei den Händlern. Für alle Karosserievarianten lieferbar, stellte sein neu entwickelter CIH-Reihensechszylinder mit 2,2 Litern (2239 cm³) Hubraum und 95 PS Leistung nun die Spitzenmotorisierung dar. Der Vergleich alt / neu ließ den neuen aber ziemlich alt aussehen. Eine seltsame Kapriole, die sich Opel da leistete, denn mit seinen Fahrleistungen stellte der 2200 einen eindeutigen Rückschritt dar. Auch der reiheninterne Vergleich mit dem Rekord 1900 S mit 4-Zylinder-Motor ließ keine Begeisterung aufkommen: Es ließ sich kaum ein vernünftiger Grund finden, sich für einen Rekord 2200 zu entscheiden! Es sei denn, man wollte eben mit dem Prestige eines Sechszylinder-Wagens ein wenig glänzen. Aber dann musste man, zumal im Kreis vom Opel-Freunden, darauf hoffen, dass niemand allzu gut über den Rekord A / B L-6 Bescheid wusste...
Der Rekord C konnte im Vergleich zu seinen Vorgängern den Abstand zur KAD-Baureihe in manchen Belangen, so z.B. bei den Komfortmaßen des Innenraums, zwar verkleinern, wirklich schließen konnte er die Lücke angesichts der stark gestiegenen Erwartungen der Kundschaft jedoch nicht. Dies war, durch sorgfältige Marktanalysen belegt, bereits während seiner Konzeptions- und Entwicklungsphase eindeutig klar.
Die automobile Mittelklasse fächerte sich immer deutlicher zur unteren, mittleren und oberen Mittelklasse auf. Besonders in der oberen Mittelklasse waren zunehmend PS-starke, schnelle Fahrzeuge gefragt. Und eine wachsende Schar von Kunden erwartete, dass das teuer erkaufte Sechszylinder-Prestige auch äußerlich und schon von weitem unübersehbar zum Ausdruck gebracht wurde. Das war Wasser auf die Mühle von Hans Mersheimer, Chefingenieur und Technischer Direktor der Adam Opel AG. Mersheimer war bekannt als Liebhaber schneller Wagen und berühmt für seine kurzen, knackigen Aussprüche, mit denen er es in unnachahmlicher Weise verstand, nicht nur die einzuschlagende Richtung zu weisen, sondern auch seine Mitarbeiter glänzend zu motivieren. „Wir wollen auf der linken Spur fahren!“ So lautete die von ihm ausgegebene Parole. Alles gesagt!
Denn, wenn sich Opel in der gehobenen Mittelklasse von den inländischen Konkurrenten Mercedes-Benz und BMW nicht das Wasser abgraben lassen wollte, dann musste eine deutlich leistungsstärkere und generell höherwertige Modellreihe als der Rekord C her, mit der das Verlangen zahlungskräftigerer Kunden nach einer unverwechselbaren, automobilen Identität erfüllt werden konnte.
Der Weg hin zu einer zu verselbständigenden, prestigeträchtigen 6-Zylinder-Modellreihe für den anspruchvollen, sportlich ambitionierten Fahrer in der oberen Mittelklasse war nun vorgezeichnet. Der durch Marktstudien erhärtete Auftrag des Wagens war es auch, Opel solche Kunden von anderen Marken neu zuführen, die zwar mit Opel und dem Aufstieg in die Sechszylinder-Klasse liebäugelten, aber von den in der Wahrnehmung mancher Zeitgenossen übergroß anmutenden KAD-Modellen eher wieder verschreckt wurden.
Eine eigenständige, völlige Neuentwicklung kam aus Zeit- und Kapazitätsgründen freilich nicht in Betracht. Opels neue 6-Zylinder-Modellreihe wurde vom Rekord C abgeleitet und weiterentwickelt. Trotz der so unvermeidlich weitgehenden Übereinstimmung von Technik und Karosserien gelang es, ihr gegenüber dem Schwestermodell eine erstaunliche optische Eigenständigkeit zu verleihen. Sicher ein besonderes Verdienst akribischer Detailarbeit der Styling-Abteilung unter Claire MacKichan.
Durch einen anderen Kühlergrill, einer großflächigen Blende aus Aluminium zwischen den Rückleuchten, zusätzliche Chromleisten und Fünflochachsen mit anderen Radkappen und Zierringen war er deutlich genug vom Rekord zu unterscheiden. Im Innenraum tat eine üppigere Ausstattung, z.B. Holzapplikationen, das ihre dazu.
Bei der Namensgebung wählte Opel ganz traditionell wieder einen Dienstrang der Marine. Als Commodore stand er damit rangmäßig über dem Kapitän, was modellpolitisch nicht korrekt war. Opel hätte ihn zum Fregattenkapitän oder Korvettenkapitän ernennen müssen. Was soll’s, Commodore klingt natürlich viel besser!
¹ Vergleiche hierzu die Geschichte des Kadett B!
Mit einem Olympia für Otto Normalverbraucher und einem Kapitän für seinen wohlhabenderen Schwager war es nicht mehr getan...
Der wachsende und sich ausbreitende Wohlstand hatte im Laufe der 1950er Jahre nicht nur den Wunsch nach, sondern auch die Käuferschaft für Autos hervorgebracht, die sich in ihrer jeweiligen Klasse vom Auto des „Herrn Jedermann“ unterschieden. Zur Mitte der 1960er Jahre hin strebte diese Entwicklung einem Höhepunkt zu. ¹ Diversifikation – Modellvielfalt – war das Schlagwort.
Anschaulichstes Beispiel ist die 1964 eingeführte KAD-Reihe, bei der Opel das bisherige Spitzenmodell Kapitän nun als Einsteiger-, den wiederbelebten Admiral als Aufsteiger- und den neuen Diplomat als Spitzenmodell in der Oberklasse eingestufte. Für die Opel-Kunden, denen die ab Werk angebotene Diplomat Limousine, mit dem 190 PS starken 4,6-Liter-V8-Motor 283V (von Chevrolet) durchaus standesgemäß motorisiert, noch nicht stark und exklusiv genug war, schneiderte Karmann in Osnabrück ab Februar 1965 das ungeheuer eindrucksvolle Diplomat V8 Coupe, dem exklusiv der 5,4-Liter-V8-Motor 327V mit 230 PS vorbehalten war. So eindrucksvoll wie das Coupe selbst war auch der Preis: Er betrug zunächst 25.500 und ab dem 18. April 1966 26.000 DM. Extras gingen extra. So war z.B. für Lederpolsterung ein Aufpreis von 1.500 DM fällig.
Während also Abmessungen, Leistungsvermögen und anderes mehr bei Opels „Flaggschiffen“ amerikanische Dimensionen erreichten, ging es beim Mittelklassemodell Rekord verhaltener zu. Um die Lücke zwischen ihm und der KAD-Reihe nicht allzu weit klaffen zu lassen, erhielt der Rekord A als Version L-6 zeitgleich einen 2,6-Liter-OHV-Reihensechszylinder (2605 cm³), der noch auf der Vorkriegskonstruktion des Kapitäns von 1938 basierte. Diesen 100 PS starken Motor gab es dann auch 1965 - 1966 für den Rekord B, dessen hauptsächliche Bestimmung bekanntlich die Einführung der neuen Generation der CIH-Motoren war.
In konsequenter Fortschreibung kam der neue Rekord C als Rekord 2200 ebenfalls zu sechs Zylindern. Ab Dezember 1966 stand er bei den Händlern. Für alle Karosserievarianten lieferbar, stellte sein neu entwickelter CIH-Reihensechszylinder mit 2,2 Litern (2239 cm³) Hubraum und 95 PS Leistung nun die Spitzenmotorisierung dar. Der Vergleich alt / neu ließ den neuen aber ziemlich alt aussehen. Eine seltsame Kapriole, die sich Opel da leistete, denn mit seinen Fahrleistungen stellte der 2200 einen eindeutigen Rückschritt dar. Auch der reiheninterne Vergleich mit dem Rekord 1900 S mit 4-Zylinder-Motor ließ keine Begeisterung aufkommen: Es ließ sich kaum ein vernünftiger Grund finden, sich für einen Rekord 2200 zu entscheiden! Es sei denn, man wollte eben mit dem Prestige eines Sechszylinder-Wagens ein wenig glänzen. Aber dann musste man, zumal im Kreis vom Opel-Freunden, darauf hoffen, dass niemand allzu gut über den Rekord A / B L-6 Bescheid wusste...
Der Rekord C konnte im Vergleich zu seinen Vorgängern den Abstand zur KAD-Baureihe in manchen Belangen, so z.B. bei den Komfortmaßen des Innenraums, zwar verkleinern, wirklich schließen konnte er die Lücke angesichts der stark gestiegenen Erwartungen der Kundschaft jedoch nicht. Dies war, durch sorgfältige Marktanalysen belegt, bereits während seiner Konzeptions- und Entwicklungsphase eindeutig klar.
Die automobile Mittelklasse fächerte sich immer deutlicher zur unteren, mittleren und oberen Mittelklasse auf. Besonders in der oberen Mittelklasse waren zunehmend PS-starke, schnelle Fahrzeuge gefragt. Und eine wachsende Schar von Kunden erwartete, dass das teuer erkaufte Sechszylinder-Prestige auch äußerlich und schon von weitem unübersehbar zum Ausdruck gebracht wurde. Das war Wasser auf die Mühle von Hans Mersheimer, Chefingenieur und Technischer Direktor der Adam Opel AG. Mersheimer war bekannt als Liebhaber schneller Wagen und berühmt für seine kurzen, knackigen Aussprüche, mit denen er es in unnachahmlicher Weise verstand, nicht nur die einzuschlagende Richtung zu weisen, sondern auch seine Mitarbeiter glänzend zu motivieren. „Wir wollen auf der linken Spur fahren!“ So lautete die von ihm ausgegebene Parole. Alles gesagt!
Denn, wenn sich Opel in der gehobenen Mittelklasse von den inländischen Konkurrenten Mercedes-Benz und BMW nicht das Wasser abgraben lassen wollte, dann musste eine deutlich leistungsstärkere und generell höherwertige Modellreihe als der Rekord C her, mit der das Verlangen zahlungskräftigerer Kunden nach einer unverwechselbaren, automobilen Identität erfüllt werden konnte.
Der Weg hin zu einer zu verselbständigenden, prestigeträchtigen 6-Zylinder-Modellreihe für den anspruchvollen, sportlich ambitionierten Fahrer in der oberen Mittelklasse war nun vorgezeichnet. Der durch Marktstudien erhärtete Auftrag des Wagens war es auch, Opel solche Kunden von anderen Marken neu zuführen, die zwar mit Opel und dem Aufstieg in die Sechszylinder-Klasse liebäugelten, aber von den in der Wahrnehmung mancher Zeitgenossen übergroß anmutenden KAD-Modellen eher wieder verschreckt wurden.
Eine eigenständige, völlige Neuentwicklung kam aus Zeit- und Kapazitätsgründen freilich nicht in Betracht. Opels neue 6-Zylinder-Modellreihe wurde vom Rekord C abgeleitet und weiterentwickelt. Trotz der so unvermeidlich weitgehenden Übereinstimmung von Technik und Karosserien gelang es, ihr gegenüber dem Schwestermodell eine erstaunliche optische Eigenständigkeit zu verleihen. Sicher ein besonderes Verdienst akribischer Detailarbeit der Styling-Abteilung unter Claire MacKichan.
Durch einen anderen Kühlergrill, einer großflächigen Blende aus Aluminium zwischen den Rückleuchten, zusätzliche Chromleisten und Fünflochachsen mit anderen Radkappen und Zierringen war er deutlich genug vom Rekord zu unterscheiden. Im Innenraum tat eine üppigere Ausstattung, z.B. Holzapplikationen, das ihre dazu.
Bei der Namensgebung wählte Opel ganz traditionell wieder einen Dienstrang der Marine. Als Commodore stand er damit rangmäßig über dem Kapitän, was modellpolitisch nicht korrekt war. Opel hätte ihn zum Fregattenkapitän oder Korvettenkapitän ernennen müssen. Was soll’s, Commodore klingt natürlich viel besser!
¹ Vergleiche hierzu die Geschichte des Kadett B!